SCHWARZHEIDE – Open Air (17.06.06)

Der ENKELZ Auftritt am Samstag als Headliner steht an. Jedoch bietet das vom BOSC initiierte Festival der gepflegt gelebten BO Hörigkeit anläßlich des einjährigen „Jubiläums“ des Ablebens der „BRD umstürzlerischen Vier“ bereits ab Freitag volles Programm mit Mucke unseres Genres.

Und irgendwie prickelt einigen von uns bereits schon Donnerstag ganz gehörig die Pelle. Spät jugendlicher Tatendrang? Wohl auch, aber Achimo, Krid, Patrick und der Verfasser dieser Zeilen hegen zudem noch einen anderen Wunsch: Bloß raus aus der siedenden Großstadt um vor dem Gig ein bißchen reichlich auszuspannen. Vorher Backline einladen, rein in den Bulli und gegen 20.30 Uhr heißt es: Ab dafür, der Kompaß dreht nach Osten.

Jan Fedder und die Big Balls hobeln völlig unromantisch via CD Player ungestüm Hamburger Shanties und traditionelle Seemannslieder zwischen Status Quo und AC/DC im derben Schnodder Slang. Genau Leute, der Bulle aus dem „Großstadt Revier“ hat es mit leichtem Augenzwinkern faustdick hinter den Rocker Ohren. „Aus Bock Hamburg“ heißt die Scheibe. Und damit ham wir ja nun absolut gar keine Probleme.

Letztere hat ohne jeden Zweifel das traurig groteske, zweibeinige Endprodukt einer offensichtlich jahrelangen hemmungslosen Freßorgie. Das geschlechtlich nicht mehr zu spezifizierende Teil paßt kaum noch aus der Tür der Filiale einer bekannten „Anti Gourmet Magen Abfüll Station“ auf Labberbrötchen Basis. Die falsche Droge.

Schwarzheide muß eigentlich BASF Stadt heißen. Badische Anilin- und Soda Fabrik. Aus deren Abfallprodukten werden – gerüchteweise gemunkelt – Gummibärchen, Blubberlutsch, Wackelpeter und sonstige grell gefärbte Grausamkeiten für Gaumen und Geschmack zum Traktieren des Verdauungsapparates gegossen.

Das riesige, surrealistisch anmutende Gelände des Industrie Giganten leuchtet uns schon von Weitem den Weg. Glitzrig-Glimmrig-Gleißend. Imposant, da gehen pro Stunde Millionen von Watt auf die endlosen Meilen der Kabelatur! Diese endet ganz offensichtlich abrupt am Werkstor, denn ab jetzt breitet sich allerschwärzeste Nacht aus. Treffend gewählt, der Ortsname Schwarzheide.

Das zu musizierende Gelände ist ein Flugplatz. Nur für Kleinflieger a la Cessna Crash oder Fieseler Storch, also zum Glück Rasen statt Beton, oder Maulwurfshügel statt Asphaltblasen. Die Füße jubeln.

Ins diffuse ¾ Dunkel getaucht begrüßt uns neben der spärlich beleuchteten Bühne freundlich ein schwer erkennbarer, aber heftig tätowierter, strohblonder Mensch. Der Hautfarbe nach zu urteilen offensichtlich nordafrikanischer Abstammung, dem Dialekt zufolge eher ins westfälische einzuordnen. Bei näherem Hinsehen ein kollektives „Moin Mike“. Der gutmütige „BOcholt Sponsort Carina“ Papa und langjährige BO Idealist hat sich in tagelanger Arbeit unter stechender Sonne derbe das Fell versengelt. Da wir im momentanen Merchandise keinen passenden Ersatz-Pelz für den Gebruzzelten mit haben, muß ein profanes Bier zur Respektbekundung herhalten.

Nach ein paar Entspannungsdrinks in DEM Bus lockt bei einsetzender Morgendämmerung das 5 Sterne Rot Kreuz Zelt mit spartanischen De-Luxe Feldbetten in ausladender 600mm Breite zum kurzfristigen Wegdösen anhand akuter, leicht säuselnder Ermattungserscheinungen. Der Begriff „Schlaf“ kann nicht unbedingt angewandt werden.

Verquollene Augen und etliche Mückenstiche sind die ersten fiesen Fakten eines neuen Tages. Es ist Scheiß Schweiß heiß. Das miese Zeug, das wir zwangsläufig inhalieren müssen, hat mit frischer Luft rein gar nichts zu tun, sondern erinnert eher an eine schmierig verklebte, überhitzte Paste. Atmen wir noch oder röcheln wir schon??

Nichts desto trotz stellen wir uns freudig einem freien Tag OHNE Job und frönen ausgiebig dem mentalen Müßiggang. Selbiger beginnt mit einem Abstecher ins Zeltlager der Fanz. Bei den Hemelingern geht es bereits hoch her. Reichlich bestückter Grill, massig Bier und entsprechend gute Laune prägen die Situation. Gesungen wird auch, die Lieder sind durchaus bekannt...

Erste leichte Brisen werden anfangs kaum wahrgenommen. Jedoch, die wütende Wetterwildsau aus Dampfach scheint immer noch zu leben und erigiert ungeniert in unangenehme Dimensionen. Erst Hitze, dann Blitze. Achimo steht dann genau so unter dem Bremer Vorort Baldachin wie auf der Bühne bei „Kirche“. Die Arme weit ausgebreitet, nur sind jetzt in beiden Händen Zeltstangen zu halten, damit der Camping Palast nicht davonfliegt. Es schüttet wiederum wie aus Kübeln. Ein Witzbold brüllt völlig verärgert sein berechtigtes „Scheiß Bierverdünnung“ in den trüben Himmel.

Aus zum Glück angemessener Entfernung ist kurz darauf eine pechschwarze, keineswegs „Tote Wind Hose“ zu beobachten. Genauso unangenehm in ihrer Wirkung wie die selbst ernannte Gutmenschkapelle des härteren deutschen Schlagers, das penetrant pauschalisierende „Nur Links Ist Gut“ Quintett mit dem permanent erhobenen Zeigefinger „politisch korrekter“ ex-Punks zwischen Kochstudio und Seifenoper bei längst erschlafften Millionärs Intellekt. Darauf keinen Campari in dieser Camping Arie.

Eher ein paar „Kurze 20 %er“ bei ca. 1 ½ verlustierenden Stunden im forensischen Zelt bei Günters nicht eben kleinen Clan samt sympathischen Nachwuchs.

Der Abend neigt sich zur „nebulösen“ Nacht bei absolutem Edgar Wallace Kulissen Nebel, der wie ferngesteuert bösartig schleichend aus den umliegenden Wäldern über die Wiesen Richtung Bühne kriecht. Jetzt bloß keine Morde mit hysterischen Schreien der Abzumurksenden. Der Frog Frosch mit der grünen Maske möge sich vom Acker machen...

Eine BO Coverband spielt „Unsere Regeln“ von den NAS noch bevor die Live Premiere der Urheber überhaupt passiert ist. Über Stil läßt sich bekanntlich berechtigt streiten, wir halten diesen Einfall jedoch für wenig glorreich. Von wegen Respekt und so.....

Der zu berockende Samstag quetscht sich bereits morgens massiv schwül aus der recht kurzen Nacht. Ronnzo nebst Domi entern gegen Mittag die Riesenwiese und runden die Bande zum Komplett-Quartett „Schwitzelz“ ab.

Der Backstagebereich füllt sich langsam mit den Akteuren des heutigen Tages, darunter auch Kevin, Pe und der W. Letzterer kickt dann auch noch mit seiner sportiven Truppe das runde Leder bei einem Fußballturnier auf stärkst temperierten, garantiert nicht FIFA gerechten Geläuf der Kategorie Stoppelacker. Die Welt ist, entsprechend der BO Hirarchie in Ordnung, denn der BOSC wird im Endspiel knapp bezwungen. Nur ein Schönheitsfehler......

Später schreiben sich die 3 Heroen dann die Finger wund. Nicht wenige der anwesenden 4000 bis 5000 Hörigen wollen Autogramme, Photos oder ein paar Komplimente loswerden. Alte Liebe rostet eben doch nicht. Gut so, oder auf hamburgisch, besser is´ Das.

Wir schlendern zu den Band Containern zurück um uns mit unseren mittlerweile angewalzten Kumpels aus Offenbach ein paar kühle Drinks hinter die Binde zu kippen. Die V 8 Wankers führen heute offensichtlich einen Ernst gemeinten akustischen Krieg gegen ungepluggte Leisetreter.

Mit Vulcanus, Rotten und Schmuddel steht ein martialisch K(l)ampf starkes, erprobtes Trio Infernale der 6 Saiten Zunft am Start, Gitarre bei Fuß und Fuzz. Das gibt ordentlich auf die Mütze, jede Wette. Wir genießen später deren Auftritt zwischen Fußwippen und Headbangen bei bester Laune und breit grinsend. Endlich mal ein Gewitter, das nicht von oben kommt.

Meister W. himself, Subs Sänger Daniel (ebenfalls) W., deren Drummer und ein weiterer Gitarrist ohne W spielen als „Nordend Anti Stars“ die beiden WM Lieder ihrer Mini-CD. Da aller guten Dinge nun mal DREI sind, folgt noch unerwartet eine robust rockige Vitale Vitamin Version von „Gewinnen kann jeder“. Das fetzt voll fett und die Hörigen schweben zumindest spirituell weit über den gräulichen Schwaden.

Die Subs spielen routiniert ihre Show. Der besungene „Wheatherman“ klingt zwar gut, ist jedoch im realen Sinne angesichts der cholerisch chaotischen Wettermixtur des Wochenendes nur mit der in die dritte Person singular konjugierten, finalen Akustik Ballade mit entsprechend abgeänderten Titel zu rechtfertigen. „Nur wenn er besoffen ist“....

Im Sinne einer abgerundeten Gesamtbetrachtung der Veranstaltung soll an dieser Stelle einmal auf eine dezidierte Beschreibung des ENKELZ Auftritts verzichtet werden.

Was die Bande musikalisch leistet, bzw. was sie bei der Meute bewirkt, ist mittlerweile allseits bestens bekannt und muß hier und heute nicht mehr sonderlich hervorgehoben werden. Eigenlob wäre unangebracht. Was könn´n wir denn dafür.... usw.

Zweierlei sei noch erwähnt. Die PA ohne ebenerdige voluminöse Baßlautsprecher drückt nicht eben so, wie es normalerweise ENKELZ Standard ist. Was an der Traverse hängt ist OK, indes fehlt der oft zitierte Wumms, der die Innereien stimmungsvoll wohlig schwingen läßt.

Und unser Schlachtzeuger kocht. Allerdings nicht vor Wut sondern anhand viel zu hoher Körpertemperatur. Nach 29 Liedern ist für Krid Schluß. Wer ihn kennt, weiß, wie sehr ihn das wurmt.

Sofort zur nächsten Apotheke und ab ins Hotel. Die Warterei auf das Taxi im Container dauert viel zu lange. Der Mann glüht derartig, daß die bereitgestellten Drinks zu kochen drohen. 40 Grad Fieber befähigen ihn auch ohne sichtbare Flamme locker, in den kauzigen Katalog der Kago Kamine aufgenommen zu werden. Modell: Musikalisch Monströs Mit Maske.

Pe springt ein und trommelt „Mexiko“, Michi von „Stainless Steel“ danach "Auf gute Freunde" und "Terpentin". Doppeltes Danke. Und Debby hat ihren ersten flotten Vierer durchlebt.

Wir nächtigen in Senftenberg. Gegen 13 Uhr steigt die Bande in die Autos, die fragwürdige Vorfreude auf ein Hamburg in gefühlter Krid Temperatur als unsichtbare Beifahrer.

Knutzen