Oelde Alte Post 25.11.05

Hellenthal Grenzlandhalle 26.11.05

Intro

Freitag UND Samstag Rock`n Roll, das ist schon mal amtlich OK für eine Band, die regelrecht tourgeil ist. Zumal Oelde nahezu auf halben Wege nach Hellenthal liegt und somit die Richtung ohne nervige Umwege höchst effektiv auf der gleichen Autobahn abge(g)rast werden kann.

Wir ham wieder den „Turbo“, bei dem das „Tur“ auf der Rückwand des Gefährts selbstverständlich gnadenlos entfernt worden ist.

Also alles in trockenen Tüchern? Von wegen. Die böhse Frau Holle schüttelt kurz nach Hamburg die völlig versauten Spuren der letzten Nacht mit dem offensichtlich höchst potenten Väterchen Frost aus ihrer Bettwäsche. Phantastilliarden von gefrorenen Spermaflocken klatschen lautlos und schmierig gegen die Windschutzscheibe. Deren Wischer Paar leistet Schwerstarbeit und intoniert, so scheint es, voller Selbstmitleid: ..“und ich weiß, daß ich sie nicht mehr sehen will“..

Im Suizid kompatiblen Grau schleichen wir durch Niedersachsen und haben noch keine Ahnung, was das Wetter dieses Wochenende sonst noch Übles plant. Auf alle Fälle eine erste Klasse Kulisse für den nächsten Alfred Hitchcock Film.

OELDE: Onkelz – Enkelz, Lobpreiset Die Elite.

Und das passiert dann auch. Die „Alte Post“ ist ein kleiner aber feiner Laden. Die Bühne in der Größe von 3 Tischtennis Platten ohne Schlagzeug Podest und Mini PA schreckt keineswegs. Der Club wird höchst professionell geleitet, es gibt klare Zuteilungen und sämtliche vertraglichen Abmachungen werden in jeder Hinsicht perfekt zur vollsten Zufriedenheit eingehalten. Vom Futter bis zur Security. Der schriftliche Hinweis „ENKELZ Konzert Ausverkauft“ zeugt ebenfalls von guter PR Arbeit.

Der GIG (Gekonnt Ist Gekonnt) wird in beiden Sets enthusiastisch abgefeiert, der Sound ist trotz der kleinen Anlage erstaunlich gut und Achimo kotzt sein “Nichts ist so hart wie das Leben“ erstmalig auf den PA Boxen lauernd in die Meute. Der abgehende Pogo erfordert höchste Strapazierfähigkeit an Bodenhaftung und Knochenstärke aller Beteiligten. Die „Luft“ ist zum Schneiden dick, die Raumtemperatur hält locker jedem Sauna Vergleich stand.

Die Meute tobt derartig, daß die Pulte für Klang und Licht nur mit massiver körperlicher Präsenz in der vorgegebenen Position gehalten werden können.

Erwähnenswert noch „Prinz Eisenkopf“... Wer sechs bis sieben mal beim Pogo mit dem Hinterkopf deftig ans Mischpult knallt, sich nicht einmal kratzt, keine Auszeit nimmt und auch noch glückselig grinst... bei soviel paranormaler Schmerz Immunität spekuliere jeder nach seiner Fasson. Trotzdem: Ein diskussionswürdiger, neuer Befund für jeden Ärztekongreß, selbstverständlich außerhalb Berlins.

Nach den üblichen Zugaben wechselt die Band die klatschnassen Klamotten um sich, zwar noch glühend aber wieder trocken, dem Publikum zu stellen. Anhänger der unterschiedlichsten Fußballvereine stehen friedlich entspannt nebeneinander und sind positiv verwundert über die in diesem Maße nicht erwartete Zugänglichkeit der Bandmitglieder.

Draußen liegt 25 cm hoher, natürlicher Schnee und der Abbau der Anlage gerät zum vor weihnachtlichen Eiertanz ohne Grog und Glühwein selige Elche.

Im Hotel bekommen wir um 12Uhr mittags „ausnahmsweise“ noch Frühstück. Veranstalter Thomas weiß eben, was für eine Band von Bedeutung ist und hat das entsprechend durchgesetzt.

Die „weiße Pracht“ ist nahezu weggeschmolzen und in Bälde verlassen wir Oelde. Mit sehr guten Erinnerungen.

ZWISCHENTRO:

Von Oelde nach Hellenthal sind es ca. genehme 280 km. Trotz widriger Wetterbedingungen massig Zeit zur freien Verfügung. Am Ziel der Reise gastieren weder Rose Tattoo, Motörhead, Machine Head, ZZ Top oder Metallica,. Ein Schönheitswettbewerb für Frolleins aus der Eifel ist ebenso wie eine Tattoo Convention nicht anberaumt, und ein Dampfzug fährt dort trotz vorhandener Infrastruktur heute leider auch nicht. Wohin also mit der Zeit?

Vier rechteckige, hochstehende Lichtquellen, perspektivisch versetzt, direkt an der Autobahn plaziert, weisen uns spontan den Weg zur kurzfristigen, sportiven Verlustierung. Bay-Arena heißt das Ziel. Drei gemäßigte und ein hardcore Blau-Weiß-Schwarze/r, eine Neutrale und der seit 19 Jahren schwer infizierte Mitarbeiter eines z. Zt. drittklassigen Hamburger Stadtteil Vereins entern das kleine, fast ausverkaufte Stadion, in dem ganz offensichtlich Zungenlähmung herrscht und das Propagieren von Emotionen verpönt ist. Bitte leise, damit die fröhlichen Rheinländer das infernalisch laute Niederprasseln der Schneeflocken genießen können...

Die physische und mentale Leistung der „Hamburger“ Truppe im zweiten Spiel nach 40 ½ Stunden nötigt hochgradigen Respekt ab und hat in Sachen Leistungswillen durchaus ENKELZ Charakter. Der DJ (David Jarolim – nicht Disc Jockey) hat dem Bayer in der 82. Spielminute die „Leverhosen“ ausgezogen. Vom dramaturgischen Ablauf eine glatte E.I.N.S. Wir wollen gerade gehen um nicht im zu erwartenden Stau vor dem Stadion zu schmoren. Und dann DAS. Keine 10 Meter entfernt. Wir fangen Krid 3 ½ Atmosphären über dem Erdboden wieder ein und geleiten ihn – an der vom Amt für Freizeitschutz abgestempelten Rock`n Roll Leine schwebend – sicher zum Gefährt der Bande. Außerdem will er (sabbel brabbel) spontan ein Kind von R. van der Vaart. Oh fröhlich durchgeknallter Wahnsinn. Hallo, Sylivie, hast Du das gehört..?...

Unser Parkplatz entpuppt sich dann als Falle, um nicht sagen zu müssen: Gefängnis. Ebenso komplett wie sinnlos abgesperrt und eingezäunt. Durchfahren ginge locker und ohne Aufwand, ist aber – trotz mehrmaliger, freundlich fundierter Bitten mit ENK(G)ELZ Zungen – nicht möglich. Die Borniertheit der örtlichen Ordnungshüter und das zickig arrogante Auftreten von weiblichen, hirnlosen Nachwuchs „Kräften“ der absolut gar nichts blickenden Kategorie kosten uns locker 1 ½ Stunden. Einfach nur peinlich.

Die Autobahn im tiefsten Schwarz mit heftig flirrenden Weis hat uns wieder und die Horror Meldungen aus dem Verkehrsfunk nehmen kein Ende: Vollsperrungen, umgeknickte Strommasten, von der Außenwelt abgeschnittene Ortschaften, Glatteis usw. Es langt, wenn schon in´s Chaos, dann gefälligst mit guter Laune. Wir legen die neueste CD von „OHRENFEINDT“ ein, einem beinharten Hamburger Trio in klassischer Besetzung. „Rock`n Roll Sexgott“ ist AC/DC in deutscher Sprache, mit hintergründig frivolen Texten zum Schmunzeln und Nachdenken mitten aus dem Leben. Fett produziert mit einer unglaublichen Röhre und satten Riffs.

Schwer bangend erreichen wir gerade noch rechtzeitig das tief verschneite zum dritten male in diesem Jahr.

HELLENTHAL:

Die Örtlichkeiten sowie die freundlichen Anwesenden sind uns bestens bekannt. Jedoch nicht die neue „Anlage namens PA“. Der endlos lange dauernde Soundcheck gerät zum Desaster. Draußen wartet bereits lautstark und ungeduldig die Meute berechtigt auf Einlaß, denn wir sind weit über die Zeit. Wir entschließen uns, während des erstens Sets „nach zu regeln“ und stoßen an die Grenzen einer viel zu knapp bemessenen Technik. Zwar laut, aber breiig, undifferenziert und völlig ohne Druck treibt der „Sound“ den Verfasser dieser Zeilen in den kurzfristigen Wahnsinn. Der Klang der Snare ist absolut grotesk. Schlage Eisen frei schwingend auf Eisen, schicke das Geräusch durch eine lange Tonröhre mit Trichter und verzerre den Lärm mit Wah Wah und Flanger mit reichlich Hall. Ätzend spekulativ, aber das trifft es wohl ungefähr. Alternativ gäbe es gar keinen „Taktzähler“ und ein wichtiger Teil des Schlagzeugs fiele glatt ins Wasser. Die Baß Drum klingt wie eine leere Waschmittel Tonne und ist ohne Übersteuerung höchstens zu erahnen. Diverse Leute aus dem Publikum beschweren sich zu Recht und es gilt nur noch, beschwichtigend einzuwirken.

Kriddens linke Monitor Box dürfen wir dann während des Sets noch auf eine Bierkiste stellen, damit er Gesang und Gitarre halbwegs hören kann, ansonsten ist der .Sound auf der Bühne gerade noch halbwegs OK, so daß die Band ihre Spielfreude so eben noch beibehalten kann.

Ihren sauer erarbeiteten Schweiß dürfen sich die Musiker dann mit Geschirr(!) Handtüchern abwischen.

Leider haben die widrigen Wetterbedingungen etliche Fanz gar nicht erst den Ort des Geschehens erreichen lassen oder viele sind ob der schlimmen Bedingungen auf den Straßen sinnvoller Weise nicht mal losgefahren. Insofern sind weniger Leute im Saal als Karten vorverkauft wurden.

Witzig zwei weibliche Teenies, die sich „Tätowierungen“ mit Filzstiften auf die Ärmchen gepinselt haben. Die harten Tanten von übermorgen.... Weitaus weniger belustigt blickt eine gereifte Dame ins Geschehen. Beim Pogo zu „Mexico“ bricht einer der Waffenschein pflichtigen Absätze ihrer High Heels.

Die Anwesenden in der vorderen Hallenhälfte haben jedenfalls kräftig ihre Stimmbänder strapaziert, ordentlich abgerockt und die grausige Akustik kurzfristig vergessen lassen.

Hinterher, im nicht beheizten Backstage Bereich, hören wir Tumult artige Geräusche und werden Zeugen, wie etliche Leute Jagd aufeinander machen. Die Security ist richtig gefordert, und Achimo – Fanatiker in Sachen friedlicher Konfliktlösungen – greift mitten im Pulk beschwichtigend ein. Worum es geht, weiß keiner, auf alle Fälle nichts „Politisches“. Dann hockt noch ein blutüberströmter Typ mit Platzwunde am Kopf apathisch vor unserem Raum und wartet auf den Krankenwagen. Kaum ist der weg, bricht sich eine Mitarbeiterin der Halle bei einem Sturz auf das Übelste ein Bein und die Kollegen der rot weißen Martinshorn Fraktion dürfen ein weiteres Mal anrollen. Irgendwo zwischen Kneipenterrorismus und Blaulicht Eskorte.

Alles in Allem eine nicht unbedingt gelungene Nacht. Wir fahren ins Hotel um noch ein wenig mit drei sympathischen BOSC Häuptlingen moderat abzufeiern.

OUTRO:

Nächsten Mittag düsen wir ab. Ohne Frühstück, denn das ist lediglich bis maximal 10 Uhr erhältlich. Für eine Band, die Nachts arbeitet und erst gegen 5 Uhr im Hotel aufläuft, sind solche Bedingungen natürlich, gelinde ausgedrückt, ungünstig. Daß eine bessere Abstimmung möglich ist, hat Oelde gezeigt.

Ab Oi-, pardon, Euskirchen dann wieder Schneegestöber Marke rustikal. Heute wird traditionell die erste von vier Geist erhellenden Kerzen auf den runden Tannengeflechten angezündet. Insofern fühlen wir uns als AdvEN(t)KELZ und beschließen, das Lied „White Christmas“ neu einzuspielen. Dafür benötigen wir einen Background Chor mit (hüstl hüstl) verschnieften Nasen. Wer hat Lust und Erkältung zu gleichen Teilen? Bitte melden bei TIP-Recordz in Hellenthal.

Knutzen