ADELSHEIM - 15.4.06

Ca.1350km breiten sich süffisant feixend vor der Windschutzscheibe unseres Acht Sitzers aus und lassen eine Ahnung österlich gequälten Sitzfleisches aufkommen. Reichlich Zeit also, grandiose Pläne zu schmieden und die eigenen Ärsche pro forma zu bemitleiden.

Zuerst jedoch wird königlich abgelästert. Fast ein jeder von uns hat „Sie“ tags zuvor im TV ebenso schaudernd wie belustigt ein weiteres mal zur Kenntnis genommen. Die Masse von dicklich verwelkten Zölibat Zombies, eingewickelt in gar glitzernde Tücher, die „KISS“ zur Ehre gereichen. Allerhand seltsames Zeugs schwenkend und leiernd okkultes Zeugs brabbelnd, attestieren wir den blutleeren Pergament Häutern zumindest einen optisch gelungenen Mummenschanz. Karfreitag meets Karneval. Dagegen ist ein knuffiges Rock´n Roll Outfit allemal harmlos.

Ansonsten geht uns das ganze Feiertags Brimborium gehörig am Achtersteven vorbei. Letztlich ist ja auch nicht geklärt, ob Ostereier anfällig für häsische Geflügelgrippe sind.

Als atheistische Nordlichter machen wir uns also auf in einen frömmelnden Landstrich und fragen uns, ob Bikebrennen in diesen Breitengraden als heidnische Ketzerei angesehen wird. An der Nordseeküste..........

Es schüttet volle Kanne bis Adelsheim, obwohl „Absaufen“ ja mehr ein norddeutsches Attribut darstellt. Trotzdem ist der BOSC nicht per Dampfschiff sondern wiederum mit besagtem Kult Büssing vor Ort. Samt sympathischer Crew.

Auf alle Fälle ist die „Live Factory“ eine Lokation der allerersten Güteklasse. Zweistöckig, mit Lastenaufzug, offen, ausladend und effektiv konstruiert. Eine gelungene Mischung aus Zweckrationalismus und Heimeligkeit. Der Backstage Bereich ist geradezu riesig, eine Go Cart Bahn paßt da noch locker rein.

Und was so an Technik für Klang und Licht die Halle ziert, läßt Vorfreude auf die Nacht aufkommen. Der Soundcheck bläst jedenfalls sämtliche Ohren frei und läßt österliche Nestgelege zumindest bis nach Stuttgart fliegen.

Unten in der Disse heizt Hopsing vom ORR die Leute bereits mächtig an. Warm Up vom Feinsten. Auch Tex Weidner läßt sich nicht lumpen und gibt ein paar Späßchen zum Besten.

Der ganz normale (?) Wahnsinn in Form einer obskuren Obrigkeits Order erreicht uns 5 Minuten vor Konzertbeginn um 22.55 Uhr. Das Ordnungsamt, so der Veranstalter, besteht darauf, daß sich die Anwesenden beim „Tanz“ bis 24 Uhr zurückhalten sollen, andernfalls kann die Veranstaltung abgebrochen werden. Achimo soll das durchsagen, weigert sich allerdings vehement, purpur rot angelaufen und hörbar nach Luft schnappend. Entenhausen ist eben doch allgegenwärtig.

Drei völlig unauffällige Bilderbuch Beamte zieren die Kulisse am Mischpult. Die ondulierte Figur mit Minipli Dauerwelle ist ein wenig zu blond gefärbt. Typ gepflegter Hardcore Progressiver, evtll. Vorsitzender eines „Smokie“ Fan Clubs. Ein Älterer, Rubrik Rupert Rentenbein, ist offensichtlich ob der singenden Menschen um ihn herum derartig angewidert, daß er nachhaltig trotzig die Hallenwand anstarrt. Alles in Allem ein verwegener Auftritt zwischen Mode, Macho, Macht und muffeliger Martialität.

Das Triumvirat der emotionslosen Gipsgesichter erachtet das Geschehen offensichtlich als wenig umstürzlerisch und schleicht sich nach ca. 45 Minuten. Danke für Nichts.

Die Publikumsstruktur ist vielfältig. Langhaarige, Rocker, Skins, Iros, Grufties und Normalos diverser Altersschichten geben sich friedlich die Ehre. Echt angenehm. Ein paar mehr könnten es allerdings sein, 400 Leutchen sind nicht eben im Sinne des Veranstalters und der Bande.

Beide Sets rocken jedenfalls mächtig ab und die Anzahl derer, die die Eigenkompositionen der ENKELZ lautstark mitsingen macht mittlerweile weit mehr als 50% aus. So soll es sein. Zwei Bündel Zugaben runden die Nacht ab.

Wir entern unserer separates Haus als Teil einer Hotelanlage und brauchen keinerlei Rücksicht auf andere Gäste zu nehmen. Noch einige Drinks in trauter Atmosphäre bis badische Drosseln und Duracell gesteuerte Piepskehlchen den dunkelgrauen Morgen anzwitschern.

Sieben Stunden gepennt, opulent gefrühstückt und ab nach Hause bei strömenden Dauerregen. Whole lotta Sintflut.

Knutzen